Chanukka 23
Finsternis bedeckt die Erde
wie am Anfang als alles
noch durcheinander war.
Hier in unsrer Stadt hat
alles seinen Platz. In der Mitte
die Pyramide aus Holz
angestrahlt und glühweintrunken.
Dort im Dunkeln das stumme
Gerüst aus Stein
das von ausgelöschten
Namen spricht „herausgerissen,
deportiert und ermordet“
Dazwischen drängt sich
eine Polonäse ins Bild
voran die Fahne mit
dem achtarmigen Leuchter.
Vorhin noch wurden die
Schreckensbilder gezeigt
der siebte Oktober ganz kurz
den meisten steckt
er ohnehin in der Seele
wie ein giftiger Pfeil.
Und trotzdem tanzen
gerade deshalb zünden das Licht.
Alles hat seine Unordnung
unter Polizeischutz auf dem
Platz zwischen Mahnmal und Glückwein.
Der Aufzug fährt am Leuchter hoch
die Rebbezin der junge Rabbi
und unorthodoxe Offizielle der
Bürgermeister muslimisch liberal
der Ministerpräsident katholisch
ausgetreten. Feiern das Licht
das seinen Menschenweg geht
das immer wieder gezündet
werden will weil der Höchste
den längeren Atem hat.
Finsternis bedeckt die Erde doch
seine Herrlichkeit geht auf über dir.
(Dezember 2023)
Bethlehem
Sehr klein die Stadt
sehr alt das Wort
gebären wird
an diesem Ort
die Frau ein Kind
Wir sagen viel
und singen gern
das Wappen zeigt
den großen Stern
der nachts erschien
Der Stern erschien
das Kind ist da
sein Schreien bringt
die Frage nah
wird Friede sein
(18.12.2010, zu Micha 5,1-4)
Du kommst nicht dahinter
Du kommst nicht dahinter
warum das alles so schön ist
die Menschen Tiere Bäume
Du kommst nicht dahinter
warum das alles seine Zeit
hat: Wachsen Reifen Glänzen
Das alles ist verwirrend
schön: Nimm die pochende Dauer
im Herzen die drängt dich zum Genuss
Du kommst nicht dahinter
warum das alles so schön ist
du musst nicht dahinterkommen
(2.9.2018, zu Kohelet 3,11)
(© für die Texte: Gunther Schendel)